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Der (oder die) Hexenreiter

Die Idee und die erste Verwirklichung dieser gar seltsamen Fasnetsfigur verdanken wir unseren heutigen Ehrenzunfträten Josef Bergmüller und Georg Matzenmüller.

Bereits im Jahre 1951 wurden dieselben in und um Ailingen herum zum erstenmal gesichtet; damals zum Teil noch gemütlich in großen Weidenkörben sitzend, welche die Hexen zu tragen hatten. Auch Fritz Bach sen. gehörte zu diesem erlauchten Kreis. Kurzzeitig stießen dann Johann Grassy und Manfred Heubuch dazu. Rudi Benz sen. und „Schorsch" Matzenmüller war es zu verdanken, dass die Hexenreiter bald weit über die Rotach hinaus bekannt wurden. So trieben die beiden bis in die Mitte der sechziger Jahre hinein auf den Straßen ihr Unwesen.

hexenreiter1Schorsch Matzenmüller, Hexenreiter der ersten Stunde Foto: Georg Wielandhexenreiter2Rudi Benz sen. sein langjähriger Weggefährte Foto: Georg Wieland

Hans Strasser (Tünnes) und Hans Rauch konnten dann vereinzelt zu Beginn der Sechziger ihre ersten Umzugserfahrungen sammeln. Schon hier war deutlich zu erkennen, dass bei der Durchführung der nicht ungefährlichen Hexenritte, ein roter Bart keinesfalls schaden konnte.

Zu Beginn des siebten Jahrzehnts drohte der Hexenreiter fast auszusterben. Hans Rauch war alleine übriggeblieben (natürlich einschließlich seiner Hexe), als plötzlich Ottmar Knapp auftauchte. Seine Besessenheit mag man daran messen, dass er bereits als junger Bub vom Tettnanger Umzug nach Hause geschickt werden musste, weil er zwar ohne Hinterteil, aber doch mit langen blauen Unterhosen als Hexenreiter mitmachen wollte. Seit der Fasnet 1970 sattelt Otze seine Reiterhexe Zipse und jagt damit kreuz und quer durch die Umzüge. hexenreiter3Ottmar Knapp als "Otze der Hexenreiter" auf dem närrischen Wochenmarkt in Ailingen am Gumpigen Donnerstag
Foto: Gaby Kraemer
Er hat in sage und schreibe 28 Jahren die Figur behutsam und langsam gewandelt und den Hexenreiter zu einem Markenzeichen der Ailinger Fasnet gemacht. Selbst Jürgen Fliege ließ sich in seiner Fernsehshow von Ottmar's Zipse verzaubern.

hexenreiter4Bernd Ammann mit seiner Reithexe "Schneckerl" Foto:Nach zehn Jahren suchte und fand er Unterstützung und nahm den damaligen Vizezunftmeister Bernd Ammann in die Lehre. Seit 1980 zieren die Reiter mit ihren Hexen Zipse und Schneckerl das Ende der Gruppe der Ailinger Waldhexen.

hexenreiter5Rudi Benz, Fritz Bach und Hans Strasser Foto: Georg WielandIm Jahre 1990 wurden 33 Jahre Hexenreiter gefeiert. Beim Narrensprung in Ailingen und Friedrichshafen sorgten sie für viel Aufregung, da sich einige ehemalige Hexenreiter zur Feier des Tages wieder auf ihre Hexen schwangen und zu fünft durch die Strassen ritten. Neben den üblichen Reitern, Otze und Bernd, kamen noch Rudi Benz sen., Hans Strasser und Hans Rauch hinzu. Diese wurden zusammen mit Georg Matzenmüller und Josef Bergmüller beim offiziellen Jubiläumsfest in der Zunftstube feierlich durch die Vergabe der silbernen Ehrennadel des Alemannischen Narrenrings geehrt. Rudi Benz sen. wurde noch zusätzlich zum Ehrenzunftrat ernannt und Otze bekam für sein jahrzehntelanges Engagement in der Narrenzunft die Ailinger Wappennadel in Silber vom damaligen Ortsvorsteher Edwin Weiß überreicht.

Im Jahr 2000 nun kamen zwei Neue, die unbedingt Hexenreiter werden wollten. Jürgen Hildebrand und Michael Winstel bemühten sich schon jahrelang durch Erfüllung aller Auflagen und Bedingungen in die Untergruppe aufgenommen zu werden. Sie durchliefen viele schwere Prüfungen und konnten auch geeignete Reithexen vorweisen. Nun war es soweit, auf dem „Häfler" Umzug hatten sie ihre Feuertaufe und sie bestanden sie mit Bravur. Ebenso konnten sie bei ein paar Auftritten auf der Fasnetsbühne schon ein wenig Erfahrung sammeln. hexenreiter6Jürgen Hildebrand und Michael Winstel auf ihren Reithexen Esche und Sui Foto:Nachdem Sie nun in ihre Gesellenjahre absolviert haben bilden sie künftig den Schluss der Ailinger Waldhexen bei den Umzügen.

Bernd Amman hat sich wohlverdient aus dem aktiven Dienst des Hexenreitens zurückgezogen. (Seine ´Schneckerl´ bekommt natürlich selbstverständlich ihr Gnadenbrot bei ihm.)

hexenreiter7Zipse verbringt nun die letzten Jahre bei bester Verpflegung in der Sattelkammer Foto: Jochen MeschenmoserAuch Otze hat sich einer neuen Herausforderung gestellt. Er wird künftig als Oilinger Büttel die Fasnet verkünden. Seine Zipse aber hat einen Ehrenplatz in der Sattelkammer gefunden.

hexenreiter8Die Hexenreiter am Jubiläum im Jahre 2000 vor der Ehrentribühne Foto: Kurt WörnerFrisches Futter bekommt sie alljährlich beim traditionellen „Schellewäsche" in den heiligen Hallen in der Eschstrasse.

 

Wissenswertes über Hexe und Reiter

Die Reiterhexen müssen im Abstand von:

a) 300 m
b) 2:33 min

unbedingt ausgewechselt werden.

Es dürfen nicht mehr als 3 Pirouetten nacheinander gedreht werden, bzw. nach 2 Linksdrehern hat mindestens ein ganzer Rechtsdreher zu erfolgen. Vor einer Galoppsequenz dürfen nur noch vereinzelt einfache Gehschritte ausgeführt werden. Das zulässige Gesamtgewicht darf 170 kg nicht übersteigen, da die Hexenschuhe kein Hochgeschwindigkeitsprofil haben. Notfalls ist die Reiterhexe durch eine leichtere, gleicher Bauart, auszuwechseln.

Der Reiter verpflichtet sich zu

  • Artgerechter Haltung, Unterbringung und Ernährung der Hexe.
  • Teilnahme an mindestens 2 Sonderprüfungen per anno.
  • Ausreichendem Bartwuchs in Rot – neuerdings auch Grau zugelassen.
  • Ausgeprägtem Orientierungs- und Gleichgewichtssinn.
  • Nachweislicher Leistungszahl; nicht unter 333,333 mh/tsnü (Meterstundentonnensattelnü)*.

Die Hexe ist verpflichtet zu

  • Absolutem Alkohol- und Rauchverbot während der Reitzeiten.
  • Beherrschung der gängigen Reitkommandos z.B. „Hüh" und „Hott" – „Brrrh" und „Eeha".
  • Polizeilichem Führungszeugnis und reflektierenden Sicherheitswaden.
  • Einhalten des Nichtabwurfabkommens aus dem Jahre 1982

* Dieser Wert errechnet sich aus dem Umzugsweg (in Metern) geteilt durch Sattelstunden mal Reitergewicht reziprok zum Unsicherheitsfaktor durch Alkohohleinfluss.

Autoren: Edeltraut Krapf, Bernd Ammann und Ottmar Knapp